TRICKY
05.07.99 - Hamburg, Grosse Freiheit, 
ca. 800 Besucher
Obwohl der letzte Auftritt Trickys in der Hansestadt erst ziemlich genau ein Jahr zurückliegt und das Material des neuen Albums "Juxtapose" an diesem Abend noch Zukunftsmusik sein muß, ist die Große Freiheit bei tropischen Temperatur- und Luftfeuchtigkeitswerten recht ansehnlich gefüllt. Das wissende Publikum wird schon seit geraumer Zeit von moderaten Klängen aus der Konserve auf das eingestimmt, was da kommen möge, als die ersten Töne von Massive Attacks "Angel" erklingen. Die Musik wird abrupt gestoppt. Ob dies aufgrund eines zufällgen Zusammentreffens mit Trickys Wunsch, die Bühne zu betreten steht oder ob er es vorzieht, auf den Genuß der Musik seiner ehemaligen Kollegen zu verzichten, bleibt dabei unklar... Im Gegensatz dazu wird aber sehr schnell deutlich, daß sich auf der Bühne trotz eines abermaligen Line-Up-Wechsels der Band und der aktuellen Zusammenarbeit für das neue Werk mit DJ Muggs nicht viel im Vergleich zum letzten Jahr geändert hat. Tricky, heute in ein bodenlanges, weißes T-Shirt gewandet, das auf dem Rücken mit einer Reihe von Kreuzen und auf der Vorderseite mit dem nicht näher zu identifizierenden Kopf eines Ritters oder Königs bedruckt ist, verschwindet zunächst in einer von ihm initiierten Marihuana-Wolke, bevor die  Dinge wie gewohnt ihren Lauf nehmen. Er gibt nicht einfach nur ein Konzert, er krempelt sich  von innen nach außen. Dabei schüttelt er sich, als gelte es sich das Hirn zu erschüttern, ohne dabei Kontakt mit festen Stoffen zu Hilfe zu nehmen. Nach Anti Histamine und Lyrics Of Fury bedankt sich der mittlerweile 30jährige freundlich, und dann gibt es zum erstenmal neues Material zu hören. Bei dessen Präsentation unterstützt ihn Mad Dog, ein hoch aufgeschossener komischer Kauz, dessen an Maschinengewehrsalven erinnernden Rap Skills Tricky die Muße für ein kurzes Durchatmen und einen weiteren Joint bieten. Apropos Rauchen. Nicht nur, daß ich mich auf Tricky-Konzerten unweigerlich dabei ertappe, wie ich eine Zigarette nach der anderen in meinen Lungenflügeln vergehen lasse, auch für die Auswahl seiner Musiker inklusive der neuen Sängerin scheint neben virtuoser Beherrschung des jeweiligen Instruments ein hoher Konsum von Rauchwaren maßgeblich zu sein. "Tear Out My Eyes", "Pumpkin" und "The Moment I Feared" folgen, jeder relativ ruhige Song wird zwangsläufig von einer fünfminütigen Reise in brachial-abgründige Gefilde seines musikalischen Schaffens relativiert, immer mehr als eindrucksvoll vom Meister und seiner Band inszeniert. Nach 90 Minuten ist Tricky am Ende und meine Zigarettenschachtel leer. Intensität verlangt wohl nach Ausgleich...
Maik Koltermann
from: Visions, September 1999
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