T r i c k y
Fremd in jedem Land
Wäre es nach dem Willen der Trainspotter unter den Medienleuten
gegangen, dann hätte Tricky, der Musiker und Performer, nach seiner
letzten Platte den gleichen Weg genommen wie das »Genre«, als
dessen »Erfinder« er noch im Jahr zuvor gefeiert worden war. Wie
beruhigend, daß sich Unbeirrbarkeit manchmal auch künstlerisch
lohnt: Das neue Album »Angels With Dirty Faces« öffnet seinen
Ansatz in zu viele Richtungen, urn ihm mit Begriffen wie »TripHop«
oder »Afrofuturismus« beikommen zu können. Und wenn es 
stimmen sollte, daß die Überschreitung das Tor zum Millennium
öffnet, dann hält Tricky auch identitätspolitisch einen ganzen
Schlüsselbund in der Hand.        Text: SVEN VON REDEN

 
Eine Hotelsuite in einem viktorianischen Prachtbau nicht weit vom Kensington Palace. Roter Teppich, schwere Vorhänge: Das Interieur strahlt eine Aura von verstaubter Nobilität aus. Es riecht nach angegammeltem Fisch. An einem kleinen Tisch sitzt Tricky vor den Resten seines Abendessens, Fischcurry von seinem jamaikanischen Lieblingsimbiß. Trickys Armeehose hängt halb auf dem Hintern, die Boxershorts gucken heraus. Routiniert dreht er sich einen Verdauungsspliff, während der Zimmerkellner Tee auf einem silbernen Tablett serviert. »Brauchen Sie sonst noch etwas, Sir?« - »Danke, Mann! Wicked!«
   Trickys Musik würde sich gut in die düster- drückende Atmosphäre einfügen. Er selber hingegen wirkt hier wie ein Fremdkörper. Noch vor drei Jahren wäre er wahrscheinlich nicht mal am Türsteher dieses Hotels vorbeigekommen. Schön, daß Popmusik solche Türen öffnet.
   Tricky nimmt den ersten Zug von seinem Spliff und räumt ein paar Essensreste beiseite. Unter einem Haufen Silberpapier kommt sein Asthmaspray zum Vorschein. Mit 17 wurde er einmal zwangsweise von dem Medikament getrennt. Ein Gefängniswärter kassierte sein lnhaliergerät ein, als er wegen Weitergabe von Falschgeld einige Tage im Knast verbrachte. In der zweiten Nacht wurde er von einem Mitinsassen attackiert und bekam vor Aufregung einen Asthmaanfall. Er klingelte um Hilfe, doch niemand kümmerte sich um ihn. Beinahe wäre er erstickt.
   Tricky litt schon als Kind stark unter Asthma. Er konnte häufig nicht in die Schule, blieb statt dessen zu Hause bei der Großmutter, die sich um ihn kümmerte, nachdem seine Mutter gestorben war. Der Vater hatte die Familie schon kurz nach seiner Geburt verlassen.
   Das Asthma hat seine Stimme geprägt. Größere Modulationen der Lautstärke oder Tonhöhe sind ihm nicht möglich, sein flüsternder grobkörniger Sprechgesang wirkt, als drohe er, in jedem Moment zu zerfallen. Die Krankheit ist häufiges Thema seiner Texte, manchmal scheint es, als habe sie seine gesamte Musik infiziert. »She hides my Ventolin / Can hardly breathe«, murmelt Tricky in »Vent«, dem ersten Stück auf seinem 96er-Album »Pre Millennium Tension«.
   »Vent« heißt übersetzt Ventil, ist hier aber auch eine Kurzform für das Asthmamittel Ventolin, dem schon Aphex Twin eine Doppel-EP widmete. »Vent«, der Song, verweigert dem Hörer allerdings die Atembefreiung. Wie meist bei Tricky findet die aufgebaute Spannung kein Ventil, die Musik köchelt bedrohlich vor sich hin, ohne auf einen öffnenden Refrain zuzusteuern.
   Diese untergründige Spannung hat seinen Patten schon häufiger Vergleiche mit Sly Stones Meisterwerk »There's A Riot Going On« eingebracht, und nie war diese Parallele deutlicher als bei seinem aktuellem Album »Angels With Dirty Faces«. Trickys Funk ist noch fiebriger geworden, seine Soundräume haben eine beklemmende Enge, in der die Beats nur noch auf allen Vieren kriechen können.
Im >Wire< beschrieb lan Penman die Anspannung in Trickys Musik, als »pre-orgasmic-tension« (es soll es ja Leute geben, die akute Erstickungszustände sexuell stimulierend finden). Manchmal vermittelt sie allerdings eher den rasenden Stillstand eines 
Menschen, der keinen Ausweg mehr aus dem eigenen Gedankenknast findet.

Als 1995 Trickys Debütalbum »Maxinquaye« er schien, klang seine Musik für viele so fremd, als
sei sie nicht von dieser Welt. Das >Spin< bezeichnete Tricky als »Brother From Another Planet« (in Anspielung an den gleichnamigen Film von John Sayles, in dem ein Außerirdischer, der aussieht wie ein Schwarzer, nach Harlem kommt und dort für Verwirrung sorgt). Für lan Penman hörte er sich an, »wie ein Geist aus einem anderen Sonnensystem«. Bis heute zieht Tricky Metaphern des Andersseins, der Fremdheit und der Zukunft magisch an.
   Dennoch läßt er sich kaum in die vieldiskutierte afrofuturistische Traditionslinie von Sun Ra bis Kool Keith einordnen, wie dies Penman andeutungsweise tut. Tricky erfindet sich nicht neu als Alien, indem er seine Marginalität positiv umdeutet. Der Pool der Identitäten, aus denen er sich bedient, speist sich aus längst bekannten irdischen Traditionen. So tritt er in »Angels With Dirty Faces« unter anderem als Protestsänger auf (»Corporate companies love when them kill themselves/ It boost up the record sales«), als Selbstzweifler (»I wanna blow off my head in Seattle«), Selfmade-Man (»Ghetto traps didn't trap me, I got out«) und Größenwahnsinniger (»Look Mum l'm on top of the world«).
   Tricky investierte nie allzu große Hoffnung auf emanzipatorische Effekte durch technischen Fortschritt. Technik ist für ihn Mittel zum Zweck: Alltag nicht Fetisch. Für »Maxinquaye« hat er zwar Soundbites aus »Blade Runner« gesampelt und in Luc Bessons »Fifth Element« eine Nebenrolle gespielt - aber beide Filme werfen nicht gerade optimistische Blicke in eine technizistische Zukunft.
Wenn sich Tricky extraterristisch verortet, dann resultiert daraus in erster Linie, daß er in keine irdischen Koordinatensysteme paßt und sie in unerhörter Weise überschreitet. Noch vor fünf Jahren hätte wohl kaum jemand gedacht, daß es mal eine Musik geben würde, die sich anhört, als würde man gleichzeitig eine Platte von Tom Waits und Public Enemy laufen lassen, gemacht von einem Typen, der einerseits als Street-Kid mit HipHop-Creds auftritt, andererseits in Frauenkleidern und mit rot verschmierten Mund posiert.
  Wenn »in der Überschreitung, im Anders - >Werden< der Schlüssel zum Millennium liegt« (Tom Hole), dann hält Tricky gleich einen ganzen Schlüsselbund zur Zukunft in der Hand. Natürlich müssen Crossover der Geschlechter, sexueller Orientierungen, Hautfarben und Musikrichtungen heute nicht mehr unbedingt riskante Identitätsexperimente sein, denn allzu häufig verkommen sie zu handlichen Stereotypen für möglichst breites Zielgruppenmarketing. Tricky jedoch hat im Laufe seines Lebens genügend kostbare Credibility-Punkte gesammelt, um von solchen Verdächtigungen weitgehend frei zu bleiben. Jeder »Anything Goes As Long As lt SeIls« Vorwurf, zumindest was die Veröffentlichungen unter seinem Namen anbelangt, perlt ab an der klaren Verankerung seines musikalischen Entwurfs in seiner Herkunft und Biographie. Tricky bleibt anders anders als Andere. 


 
Über das spezifische Verhältnis von schwarzen und
weißen Elementen im sogenannten Bristol-Sound, seine Entstehung im Wild-Bunch-Soundsystem und Vorläufer wie die Pop Group oder Rip Rig And Panik st viel geschrieben worden. Die ausführlichste Chronik der Szene dürfte Phil Johnson abgeliefert haben. In seinem 1996 erschienenen Buch »Straight Outa Bristol« verfolgt Johnson die Verbindungen von Bristol mit Jamaica und den USA bis ins 18. Jahrhundert, als die Hafenstadt in erster Linie vom Sklavenhandel zwischen Afrika und der westlichen Hemisphäre lebte. Ein wichtiger Ort, wo sich später schwarze und weiße Subkulturen vermischen sollten, war in den 80er Jahren der >Dug Out<-Club im weißen Stadtteil Clifton. Hier, wo nach Punk- Konzerten zu Reggae und Dub weiter gefeiert wurde und keine diskriminierende Quotenpolitik an der Tür betrieben wurde, hing Tricky regelmäßig mit der Wild-Bunch-Clique ab.
   Von Tricky selber sollte man allerdings keine Auskünfte über seinen Geburtsort erwarten. »Die Szene in Bristol ist wie jede andere auf der Welt, sie ist nur ein aufgebauschter Mythos«, blockt er sofort ab, wenn man ihn darauf anspricht. Auch für Massive Affack und besonders Portishead findet er selten gute Worte. Großen Respekt erweist er aber weiterhin Mark Stewart, dem ehemaligen Mastermind der Pop Group.
   Tricky und Stewart kennen sich seit über fünfzehn Jahren, eine Zeitlang haben sie sogar zusammengewohnt, und Stewart war es auch, der Tricky zu seinen ersten Soloaufnahmen ermutigte und ihn 1987 zu seinem ersten Liveauftritt auf die Bühne schubste. Nicht nur Stewarts Leitspruch »Technology Is There To Be Abused« - auch seine anarchistische Arbeitsweise und kritische Haltung gegenüber der Musikindustrie scheinen den acht Jahre jüngeren Freund nicht unbeein druckt gelassen zu haben.
   Auf»Angels With Dirty Faces« wetterst du in fast jedem Stück gegen die Musikindustrie. Was hat sie dir getan?
   »Der Musikindustrie ist es gleich, ob du stirbst, deine Kinder vernachlässigst oder tourst, bis du völlig aus gelaugt bist. Solange sie Geld machen, kümmert es sie einen Scheiß. Sie lieben dich nicht. Dein Erfolg schickt schließlich ihre Kinder in die Schule.«
   Steckt nicht auch sehr viel ökonomisches Kalkül da hinter, wenn du häufig mit bekannten Musikern aus den verschiedensten Stilrichtungen zusammenarbeites oder Remixe für sie machst?
   »Um ehrlich zu sein, einiges davon ist wirklich strictly business. Ich mache nicht so viel Geld mit meinen Platten, weil sie selten im Radio gespielt werden. Wenn ich Bush produziere, bringt das eine Menge Geld, für eine Arbeit, die mir nicht viel abverlangt. Ich nehme meinen kleinen Sequencer, gehe ins Studio und - bum, bum, bum - fertig. Dafür bekommt man lächerlich viel Geld, und die meisten wollen doch nur deine Credibility. Mit anderen Leuten arbeite ich natürlich zusammen, weil ich sie mag und
sie mich interessieren, zum Beispiel mit allen Künstlern, die am Nearly-God-Projekt beteiligt waren.«
   Hast du feststellen können, daß sich deine Arbeitsmethode vom Vorgehen anderer Musiker unterscheidet?
   »Auf jeden Fall. Normalerweise gehen die Leute mit Ideen ins Studio. Ich fange einfach an und überlege mir die Sachen erst, während ich arbeite. Dann beginne ich nicht mit einem Beat, sondern mit Sounds, um die herum ich den Song aufbaue. Deshalb sind sie immer ein einziges Durcheinander. Sie haben keinen Mix, weil alles live passiert. Auf Computern kann man alles beliebig hin und her schieben. Ich gehe aber nie zurück und ändere Dinge. Eigentlich weiß ich immer nur, was ich nicht will. Zum Beispiel will ich nicht Teil dieser ganzen technischen Revolution sein, die auch im HipHop abläuft. Man muß nicht viel von technischen Dingen verstehen, um die Seelen anderer zu berühren. Du kannst dumm, blind, taub und stumm sein - aber wenn du meine Seele mit einem Song berührst, dann gebe ich dir maximalen Respekt.«
   Du improvisierst also viel?
   »Alles. Selbst die Musiker, die mit mir spielen, improvisieren nur. Sie kommen nur an dem Tag, wo die Aufnahmen stattfinden, und haben vorher kein Tape von den Stücken bekommen. Mir ist es scheißegal, wie gut diese Session-Musiker sind oder wie sie heißen. Ich will Inspiration von ihnen und nicht, daß sie irgendeinen Part lernen. Meist kommen sie an und fragen, was ich will. Ich sage: >Feeling! Spiel einfach drauf los!<«
   Suchst du dir die Musiker nicht selber aus?
   »Nein, das macht mein Manager. Für das neue Album brauchte ich zum Beispiel einen Gitarristen. Er sagte, daß er einen irren Gitarristen kennt, einen Typen mit dem Namen Marc Ribot. Ich sagte: >Okay, schick ihn vorbei!<« 
   Du wußtest nicht daß er auf einigen Tom-Waits-AI ben mitgespielt hat?
   »Ich bin kein Musikkenner. Ich besitze zwar eine Platte von Tom Waits, aber ich habe mir nie durchgelesen, wer da mitspielt. Ich bin ziemlich ignorant. Die Leute glauben immer, ich würde viel kennen. Doch das stimmt nicht, was manchmal ziemlich peinlich sein kann.«

US - HipHop hat bei niemandem aus der Bristoler Wild-Bunch-Generation einen tieferen Eindruck hinterlassen als bei Tricky. Immer wieder
suchte er die Nähe zu den US-Originalen. Tricky coverte Public Enemy, Eric B. & Rakim und Chill Rob G., zitierte Grandmaster Flash, remixte Notorious B.l.G und arbeitete mit Group Home oder den Gravediggaz. Für seine »Grassroots«-EP rappte er gleich mit mehreren unbekannteren MCs aus New York zusammen. Auf seinem Label Durban Poison werden demnächst weitere Kollaborationen zwischen amerikanischen und britischen Rappern veröffentlicht, darunter die zu Unrecht vergessenen Mc Mell'O und die London Posse.


 
So war es kaum verwunderlich, daß Tricky 1996 an die Wiege der HipHop-Kultur zog. Die New Yorker Szene zeigte sich sehr interessiert am englischen Import, wenn auch teilweise leicht befremdet. Wu-Tangs RZA, der mit Tricky als Mitglied der Gravediggaz zusammenarbeitete, gab ihm kurz nach seinem Umzug viele Props für seine Talente als Produzent, prophezeite ihm jedoch gleichzeitig Schwierigkeiten in seiner neuen Heimat: »Seine Beats klingen fast wie meine: langsam, düster, aber fett. Es ist eine Form von organisiertem Durcheinander. Das einzige, was ihm hier Probleme bereiten wird, ist die Art, wie er sich anzieht. Die Leute werden das nicht als Kunst begreifen, sondern denken, das sei so eine Art Homo - Drag - Queen - Scheiß.« Tricky reagiert im Interview auf diese Aussage gelassen. Bis heute scheint er wenig gewillt, sich an New-Yorker Kleider- oder Werteordnungen anzupassen.
   Wie wurdest du in New York aufgenommen?
   »Sehr gut! Die berühmten Rapper machen nicht so bemüht auf cool wie die englischen lndie-Rockstars. Alles ist sehr normal. Mir fällt es leichter, mit solchen Leuten auszukommen als mit jemandem von Oasis. Ich treffe andauernd Leute in den Studios, beim Mastern und beim Mixen: Raekwon, Muggs, Group Home. Sir Menelik wird demnächst auf Durban Poison veröffentlichen, Guru ist ein guter Freund von mir geworden, und wir werden ein Stück zusammen machen. Ich mag es, ein Fremder zu sein. Auch wenn ich völlig anders bin als die New Yorker Rapper, akzeptieren die meisten meine Musik als HipHop. Es ist der gleiche Kampf, in einem anderen Land. Der gleiche Kampf, in einer anderen Umwelt.«
   Viele scheinen dich dennoch nicht so richtig einschätzen zu können.
   »Trotzdem wollen sie mit mir zusammenarbeiten. Was sie über mich denken, zählt nicht, solange sie mit mir ins Studio gehen. Wenn sie mich in Frauenkleidern oder geschminkt sehen, sind sie zwar irritiert, aber das ist gut so. Sie lassen mich mein Ding machen, und das ist cool.«
   Nicht nur in deiner Kleiderwahl unterscheidest du dich von amerikanischen Rappern, auch deine Texte sind weitaus selbstzweifierischer und selbstkritischer als im Genre üblich. Du gibst Schwächen offen zu.
   »Schwäche kann dich auch stärker machen. Das gilt vor allem in Hinblick auf mentale Stärke und Macht. Um Macht zu gewinnen, muß man viel lernen. Du kannst aber nichts lernen, wenn du immer den toughen Typen markierst. Du mußt schwach sein. Du mußt wissen, wie es ist, weich zu sein. Viele der mächtigsten Leute, die ich in meinem Leben getroffen habe, sind leise, sanfte und bescheidene Kreaturen. Ich spreche von den richtig reichen Players: Leute denen Hotels gehören, Leute die Banken führen, Leute die Besitz haben. Als tougher Typ kannst du so was nicht erreichen, weil du nicht überleben wirst. Es mag sein, daß du Köpfe rollen läßt, aber du kontrollierst nichts. Dafür muß man smart sein. Mentale Stärke beweist man allerdings nur, wenn man nichts will. Dann kannst du einfach sagen: >Scheiß auf den Plattenvertrag! Scheiß auf das Label. Scheiß auf das Fernsehen! Scheiß auf alles!< Wenn man das sagen kann, ist man stark. Die meisten Leute erreichen dieses Stadium erst, wenn sie tot sind.«
   Ist das Bekenntnis zu Schwächen und Unzulänglichkeiten auch eine bewußte Verweigerung gegenüber den marktgängigen 
Männlichkeitsstereotvpen im HipHop?
   »Man sollte einfach nicht vorgeben zu sein, was man nicht ist. Solche Lügen fallen wieder auf dich zurück. Wenn ich vorgebe Gangster zu sein, werde ich garantiert mit richtigen Gangstern zusammentreffen. Dann geht es darum: Kann ich wirklich damit umgehen? Natürlich versuche ich Stereotypen zu vermeiden. Ich lasse mir von niemanden vorschreiben, eine Baseballkappe zu tragen. Ich laß mich nicht darauf trimmen, bestimmte Sachen zu sagen. Ich werde keine Juden hassen, weil andere Leute sie hassen. Ich werde keine Schwarzen hassen, weil andere Leute sie hassen. Ich werde keine Inder hassen, weil andere sie hassen.«

In einem 1996 geführten Interview hat sich Tricky mit Prince verglichen. In ihrer Musik gebe es kein Schwarz oder Weiß, und deshalb würde sie auch wie nichts anderes klingen. Aber vielleicht trifft auf Tricky noch mehr zu, was Mark Terkessidis in seinem Massive-Attack-Artikel in Bezug auf britischen HipHop schreibt - daß er »den Bruch zwischen schwarz und weiß im Innern trägt«. Der Unterschied:
Massive Attack sind ein Kollektiv aus schwarzen und weißen Musikern, während Tricky allein für Musik und Texte verantwortlich zeichnet. Der Bruch läuft direkt durch seine Person.
   Als Solokünstler hat sich Tricky einen Sonderstatus erarbeitet, den schwarze Künstler nur selten erreichen. Wie Phil Johnson schreibt, erwartet man von schwarzen Künstlern nicht, daß sie »experimentieren, sich selber in ihren Songs offenbaren, die Auteur-Theorie des Solokünstlers in den Vordergrund stellen, durch die Bloßstellung der eigenen Wunden und Narben«. Insofern ist das eigentlich Transgressive an Tricky, daß er nicht allein schwarz oder weiß codierte Musikstile mischt, sondern in seiner Rolle als »Tortured Artist« vor allem ein Subjektivitätsmodell vertritt, das sich sonst nur weiße Singer Songwriter und (lndie-)Rocker »leisten « können. 
   Im Popbereich haben das vorher nur Leute wie Marvin Gaye, Sly Stone (wenn auch nur in bestimmten Phasen ihrer Karriere) und eben Prince geschafft. Doch während Prince, abgehoben von der sozialen Welt, als »Pop-Picasso« souverän mit Formen und Identitäten spielt, versichert sich Tricky ständig der eigenen Bodenhaftung, um aber dann immer wieder die Bruchstellen zwischen Ich und Welt schonungslos offenzulegen.
   Ob Trickys Nonkonformismus, seine »Weirdness« irgendwann zur Zwangsjacke oder zum Selbstzweck erstarrt, bleibt offen. Musikalisch wäre es sicher ein Fehler, wenn er als Antwort auf die Formatierungszwänge der Popindustrie, ins andere Lager schwenken und zu einer Art Tom Waits des HipHop mutieren würde.
   »Meine Musik kommt aus der Seele«, meint Tricky im Interview. »Wenn du sie magst, heißt das, daß ein Teil unserer Seelen gleich ist. Daher muß ich meine Musik nicht einfach machen. Wenn jemand wie ich ist, wird man sich finden. Wenn die Leute meine Musik nicht mehr hören wollen, ist das mein Schicksal, dann akzeptiere ich das.«
   Noch scheint die Gefahr gering, daß Trickys Weg einmal im Theater enden wird.
 

    »Angels With Dirty Faces« von Tricky erscheint am 25. Mai bei Mercury/Polygram.

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