ANTWORTEN, BITTE...
TRICKY
Seit Adrian "Tricky" Thaws aus Bristol vor Jahren für Massive Attack rappte, hat er alle elektronischen Musikstile in den Griff gekriegt - sich selber aber nicht. Der Choleriker ist Fan von Herbert Grönemeyer
Du bist von London nach New York gezogen, wieso eigentlich?
Ich sah mir die Leute an, mit denen ich in England abhing: Celecrities, Models. Es war nicht eine normale Person dabei. Ich will nicht sagen, daß mit Leuten irgendwas verkehrt ist - aber das bin nicht ich. Ich war ständig unglücklich und gelangweilt von diesen Leuten, die gerne mit berühmten Musikern zusammen sind. Also löste ich mich davon.
Fühlst du dich in New York besser, weil du da unerkannt durch die Straßen laufen kannst?
Oh, die Leute erkennen mich. Aber ich hänge nicht mit Popstars rum. Ich kenne in New York keine berühmten Leute - und wenn, wollte ich nicht mit ihnen ausgehen.
Wie bist du dann an die Gäste auf deinem Album Blowback gekommen? Hast du Alanis Morissette, Cyndi Lauper und die Red Hot Chili Peppers einfach angerufen?
Die meisten sind auf mich zugekommen, weil sie mit mir arbeiten wollten. Manches hat sich auch einfach so ergeben, wie zum Beispiel mit Cyndi Lauper, neben der ich zufällig in einer Bar saß. Nur Alanis habe ich abgerufen. Ich wollte sie unbedingt dabeihaben. Schon allein, weil mir alle sagten, daß sie sich einen Track mit ihr und mir nicht vorstellen können. Aber gerade, wenn etwas nicht zu passen scheint, finde ich es interessant. Ich würde zum Beispiel gerne mit den Backstreet Boys oder Ricky Martin arbeiten.
In Deutschland hast du dich mit Herbert Grönemeyer angefreundet?
Ja! Er hat einen großartigen Sinn für Humor. Sehr troken. Zuerst habe ich das gar nicht mitbekommen. Aber als ich dann mit ihm zusammen war, fand ich heraus, daß er wirklich witzig ist. Wir sind nicht bei derselben Plattenfirma, aber ich würde schon gerne einen Son dmit ihm machen.
Du giltst als unberechenbar, düster und depressiv. Blowback ist aber durchaus tanzbar. Bist du jetzt glücklicher?
Nein. Ich hasse es nur, Dinge zu tun, die von mir erwartet werden - also sagte ich "Fuck off! Ich werde den Leuten nicht das geben, was sie von mir hören wollen! Ich liefere ihnen genau das Gegenteil." Und jetzt, da niemand mehr damit gerechnet hat, macht es mir diebsichen Spaß, MTV-taugliche Songs zu produzieren.
Womit fängst du einen Song an - mit dem Text oder mit der Musik?
Es beginnt immer mit einem Wort. Ich liebe Worte. Dabei ist alles, was ich tue, reimen. Ich denke aber nich darüber nach, daß ich jetzt etwas haben muß, was Sinn macht. Doch wenn ich alle diese Worte zusammengefügt habe, endet es in der Regel damit, daß sie etwas bedeuten.
Wenn du Worte so liebst, liest du dann auch viel?
Nein. Nur, naja Gangsterbücher - das echte Leben eben. Ich habe versucht, andere Bücher zu lesen, wie zum Beispiel Das Parfüm, doch ich bin da einfach nicht reingekommen.  Jemand sagt mir, es sei ein großartiges Buch. Aber ich habe es irgendwann weggelegt. Ich kann mich eifach nicht lange konzentrieren.
Das kann Nachteile haben.
Ja. Ich schließe mit Sachen ab, die ich hinterher immer bedauere. Jedes Album war ein Fehler. Jedes.
Gehörst du zu den Menschen, die ständig die Vergangenheit analysieren, oder steht bei dir die Planung der Zukunft im Vordergrund?
Ich bin ein Von-Tag-Zu-Tag-Mensch. Ich kann nicht planen. Ich habe viele Leute um mich herum, die das Planen für mich erledigen.
Ist alles Zufall, oder gibt es Shicksal?
Gute Frage. Es wurde erwartet, daß das Jahr 2000 das Ende der Welt sein würde. Stimmt doch, oder? Ich habe das nie gedacht. Wenn du kein guter Mensch bist, kann jedes Jahr das Ende der Welt sein. Das Ende deiner Welt. Ich sah die Welten vieler Menschen zusammenbrechen. Einer Menge Freunde. Und einer Menge Feinde. Wenn du deinen Kram nicht geregelt kriegst, du dich nicht korrekt verhältst und kein gutes Karma hast - dann ist es das Ende deiner Welt.
Du sollst ein unberechenbarer Choleriker sein, allerdings aufgrund deiner Krankheit.
Das ist richtig. Jahrelang haben alle, auch ich, gedacht, ich sei einfach nur ein sehr aggressiver Mensch. Bis die Ärzte herausfanden, daß ich unter einer seltenen Erbkrankheit leide. Das kann nicht medikamentös behandelt werden. Meditative Übungen wie Tai Chi helfen mir weiter - aber nicht immer. Schließlich habe ich einen Arzt gefunden, der festgestellt hat, daß die ernährung eine große Rolle spielt. Nun habe ich bestimmte Lebensmittel aus meinem Speiseplan gestrichen und mich einer Diät unterworfen. Damit werden meine Beschwerden weitestgehend kontrolliert.
Angeblich ist Gras das Einzige, was dich beruhigt?
Ja. Ich wünschte, in England und Amerika würdensie auch so damit umgehen wie in Holland und der Schweiz - und nicht behaupten, das seinen Drogen. Ich nehme keine Drogen. Das würde mich umbringen. Aber ohne Gras würde ich einfach durchdrehen. Ich bin sowieso schon hyperaktiv, voon einer ständigen Unruhe erfüllt. Ich könnte mich sonst niemals entspannen.
Es heißt ja, daß Marihuana einen beim Sex viel feinfühliger machen soll.
Das kann ich nicht beantworten, weil ich noch nie Sex hatte, ohne stoned zu sein. Ich kiffe, seitdem ich 14 bin, und weiß einfach nicht, wie es sich ohne Gras anfühlt. Vielleicht sollte ich das mal ausprobieren. Aber bisher hat sich noch keine meiner Partnerinnen darüber beschwert, daß es nicht gut war.
Deine Freundin heißt Martina. Mit ihr hast du eine Tochter. Auf Blowback findet sich aber A Song For Yukiko. Wer ist denn Yukiko?
Yukiko war meine Promoterin in Japan. Es gab eine sehr intensive Verbindung zwischen uns. Weißt du, was ich meine? Aber vielleicht hat sich alles nur in meinem Kopf abgespielt...
Du bist immer so ernst und verschlossen. Was bringt dich eigentlich zum Lachen? Witze, Filme, deine kleine Tochter, schwarzer Humor?
Was hast du da über meine Tochter gesagt? Ich rede nich über meine Tochter!
Aber ich wollte...
Hast du was über meine Tochter gesagt?
Nein.
Ich rede nicht über mein Baby!
Das war jetzt auch nicht das Thema.
Ich will nicht über meine Tochter reden.
Ja, ist ja gut.
Ich rede nicht über meine Tochter. Hast du das verstanden?
Ich wollte doch nur wissen, was dich zum Lachen bringt.
Ich werde dir was erzählen, was mich zum Lachen brachte. Okay?
Ja, gern, immer.
Also, eines Abends wollte ich die Kleine ins Bett bringen, aber sie hatte ihr Nachthemd noch nicht angzogen. Ich nahm also dieses Hemd und tobte mit ihr im Zimmer rum, um es ihr anzuziehen. Ich war schon ganz außer Atem, als sie plötzlich stehen blieb, mich ganz erwachsen ansah und sagt, sie hätte entschieden, es selbst anzuziehen. Dann nahm sie das Nachthemd und verschwand im Badezimmer. Ich legt mich auf ihr Bett und wartete. Fast wäre ich eingeschlafen. Und fünf Minuten später stand sie vor mir: mit einem Schwimmflügel auf dem Kopf und ihrem Amphibienflugzeug auf dem Rücken in einem klatschnassen T-Shirt. Die Kleine sah so niedlich aus, wie sie zitternd dastand, weil ihr das eiskalte Wasser den Rücken runterlief und sich um ihre Füße eine Pfütze bildete. Das hat mich wirklich zum Lachen gebracht.
 

Interview: Ines Philipp

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 photo: Anton Corbijn
 
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