Tricky
    >> UND WENN DER STÄRKER ALS ICH GEWESEN WÄRE,
DANN HÄTTE ICH IHM MEIN BLUT INS GESICHT GESPUCKT.<<

* Interview  Max  Dax     * Fotos  Oliver  Schultz-Berndt


 
Die Suite des Berliner Hyatt-Hotels ist groß. Im Fernseher läuft eine Kochsendung. Tricky, mittlerweile 34jährig, sitzt eingezwängt auf einem Stuhl hinter einem Schreibtisch in der dunkelsten Ecke des Raums. Auf der Arbeitsfläche vor ihm:Tabakkrümel, zerknüddelte OCB-Blättchen, abgerissene Zigarettenfilter, Alufohe und leerge-trunkene Miniatur-Honiggläser. Ein Deckel dient als längst überquellender Aschenbe-cher. In der ganzen Suite riecht es nach Gras.
   Tricky redet wie ein Wasserfall. Zwar hat der Päte des TripHop gerade wieder ein neues und überraschend gutes Album mit dem Titel »Vulnerable« veröffentlicht, doch ganz offensichtlich bereitet es Tricky mehr Spaß, über seine semikriminelle Vergangenheit und Verwandtschaft zu reden.
   Irgendwann unterbrechen wir das Gespräch, um Fotos zu machen. Nach einer Filmrolle fällt dem Fotografen, Oliver Schultz-Berndt, auf, dass er Tricky diverse Male mit einem Jomt in der Hand fotografiert hatte und fragt, ob er aus Rücksichtnahme die Bilder unter Verschluss halten sollte. Tricky reagiert verwundert: ,,Fucking no! I don't care. Revolution!" Der Rest des Interviews findet im Taxi zum Flughafen statt, da der Musiker noch einen Flug nach Amsterdam erreichen muss.

Ihre Karriere begann mit einem Paukenschlag. Gleich Ihr erstes Album machte Sie zum Star. Können Sie sich das rückblickend erklären?
Zu dem Zeitpunkt, als mein erstes Album herauskam, da hatte man so etwas noch nicht gehört. Jeder war neugierig, gerade Musiker: seeeeehr neugierig! Kaum war das Album draußen, bekam ich etliche Anrufe. Ich hatte die seltsamsten Fans: Eric dapton war ein großer Fan von min Mike D von den Beastie Boys, der Sänger von den Talking Heads ebenso. Ich erkläre mir das so: Meine Musik war neu, deshalb diese hemmungslose Neugien

Das war ein Interesse aus Übersee, die Leute, die sich für Sie interessierten, lebten in Amerika... Sie sind dann ja selbst nach New York gezogen...
Ja, aber jetzt lebe ich in Los Angeles. Das ist eine fucking crazy brillante tolle Stadt! Das Wetter macht L.A. zu einer phantastischen Stadt. Das Wetter ist für mich gerade richtig.

Los Angeles ist eine Stadt, in die man zieht, und dann erfindet man sich neu, lässt seine Geschichte hinter sich, gibt sich als das, was man schon immer sein wollte?
Völlig richtig. Und mehr noch: L.A. ist eine entspannte Stadt. Man kann dort so richtig vor sich hindämmern. Einen rauchen, nach oben gucken - einfach toll. Man spürt dort keinen Dmck von der Industrie. Die ganzen Leute erzählen immer, dass in L.A. die Industrie säße und der Druck deswegen ganz besonders immens sei. Falsch. Es ist die Filmindustrie, die in L.A. sitzt, nicht die Musikindustrie. Jemand wie ich kann ent-spannt die Eier baumeln lassen, ich kann tun und lassen, was ich will. Man wird nicht von irgendwelchen bekloppten Szenen absor-biert. Im Gegenteil: Man begegnet Musikern, nicht Trends. Alle versuchen es in L.A. als Musiken Alle spielen in irgendwelchen Clubs. L.A. ist musikalisch eine sehr aktive Stadt.

Die perfekte Stadt für Sie?
Perfekt - im Moment. Aber mir ist es noch immer so ergangen, dass ich mich nach einer Weile in jeder Stadt gelangweilt habe. Dann ziehe ich weiter, in die nächste Stadt. Ich bin kein sesshafter Mensch. Ich erinnere mich noch genau, wie ich damals das erste Mal von Bristol nach London kam: ,,Yeah!" Oder wie ich nach New York kam und nur dachte: ,,Wow!" Momentan bin ich von Los Angeles begeistert. Ich habe verdammte Palmen vor meinem Haus! Ich gucke aus dem Fenster und sehe verdammte Palmen! Verstehen Sie? Zum Strand gehe ich zehn Minuten zu Fuß.

Sie wohnen in Santa Monica?
Venice. Ich lebe in Venice. Zwei Blocks vom Strand.

Wie lange dauert es, bis eine Stadt Ihnen keinen Kick mehr gibt?
In New York habe ich es sechs Jahre aus-gehalten. Denn New York ist eine pretty fucking crazy Stadt. Außerdem muss man unterscheiden zwischen Langeweile und Festgefahrenheit. London begann mich nach zwei Jahren zu langweilen, aber ich konnte da nicht einfach weg, weil in London mein Lebensmittelpunkt wan Das habe ich gott-seidank in der Zwischenzeit abstellen kön-nen. Ich kann mich heute viel schneller bewegen, denn ich schleppe nicht mehr so viel Ballast wie früher mit mir herum.

Ist es nur eine Frage des Krams, den man mit sich herumschleppt?
Nicht nun Ich habe heute ein gutes Management. Das ist auch sehr wichtig. Ich verdiene mein Geld - egal, wo ich mich aufhalte. Wenn ich mich dafür entscheiden sollte, nach Berlin zu ziehen, dann könnte ich es tun, denn ich bekäme mein Geld dann eben nach Deutschland überwiesen und nicht nach Amerika.

Wie kommen Sie auf Berlin?
In Berlin denken die Musiker noch unabhängig. Ich plane nach Europa zu ziehen, nach Berlin oder Amsterdam. Für mindestens ein Jahr. Ich mag Berlin, weil man hier nicht die Berliner Fahne schwenkt. Man ist hier nicht stolz auf die Fahne.

In Berlin kann es passieren, dass die Leute einfach aus Spaß ihre eigene Fahne verbrennen.
Die Amerikaner sind die einzigen Menschen in diesem ganzen endlosen, verfluchten Universum, die noch glücklich darüber sind, dass es Amerika gibt. Erst mein Amerika-Aufenthalt hat mir klargemacht, dass Europa eigentlich ein guter, ein ent-spannter Kontinent ist.

Manchmal muss man ins Ausland gehen, um die eigene Heimat schätzen zu lernen.
Ich liebe das Einfache an Europa. Glamour ist hier etwas, das man gerne auch belächelt. Deswegen mag ich ja London auch nicht so gerne: Die Stadt ist so unangenehm trendy! Londoner Musiker verhalten sich so arrogant gegenüber Kontinentaleuropa. Sie denken, sie wären besser, nur weil sie in der selbsternannten Hauptstadt der Musik leben.

Ein gutes Beispiel für das, was Sie Unabhängigkeit nennen, ist Ihre Platte »Product Of The Environment«, die Sie 1999 veröffentlicht haben. Auf der haben Sie englische Gangsterbosse interviewt und die Geschichten, die diese erzählen, mit Beats unterlegt. Was genau war Ihre Rolle bei dem Projekt?
Ich hatte die Idee dazu, ich habe die ganze Chose angeschoben, überwacht und vorangetrieben.

Kannten Sie die Gangster?
Mein Onkel heißt Tony Guest. Er ist ein Gangsten Track Nummer drei. Ich wollte ursprünglich ein Buch über ihn machen. Da ich mich aber nicht für einen guten Schreiber halte, dachte ich mir, dass es wesentlich einfacher wäre, die Geschichte, die er mir erzählt, auf Band aufzunehmen - und die Bänder dann einem Schreiber zu übergeben. Daraus wurde dann aber nichts, denn ich spielte das Gespräch mit Tony einem Freund von mir im Studio vor und klimperte dabei auf einem Keyboard herum - ich kannte die Geschichte ja schon. Ich steuerte ein paar Sounds an, die gute Flächen machen. Und der Effekt war verblüffend: Tony Guests Geschichte wirkte von einem Moment auf den anderen plötzlich viel bedrohlicher beängstigenden. Die Klangflächen 


 
 
 
unterstrichen die Autorität seiner Stimme. Ich dachte sofort: Dazu muss ich Musik einspielen und das ganze veröffentlichen. Und mein Kum-pel meinte zu min ,,Das kannst du aber nicht nur mit einem Gangster machen. Du musst alle berüchtigten Gangster Englands zusammentrommeln und mit jedem einzelnen von denen so einen Song aufnehmen." Kurz: Ein Konzeptalbum müsste es werden. Derart motiviert habe ich begonnen, mit ein paar Leuten aus dem Millieu in Kontakt zu treten. Ich übergab das Projekt daraufhin Gareth Bowen, meinem Keyboard-Spieler, und meine Rolle war fortan nurmehr die des A&Rs.

Hatten Sie keine Lust die Gangster selbst aufzusuchen?
Hätte ich ja theoretisch gerne getan, aber diese Leute sind noch schwerer aufzufinden als ich es für andere bin. Man muss unwahrscheinlich geduldig sein. Man muss teilweise zwei Wochen warten, bis die mal Zeit haben - oder Ausgang. Diese Zeit habe ich aber nicht. Deswegen habe ich die Interviews einem Freund in London übergeben, der die Zeit hatte, diesen Leuten beharrlich zu erklären worum es bei diesem Projekt überhaupt ging. Da half es übrigens auch gar nichts, dass ich in der Musikszene einen gewissen Namen habe - die Gangster auf alle Fälle kannten mich nicht.

Hat sich diese argwöhnische Situation verbessert, nachdem die begriffen hatten, worum es Ihnen ging?
Ja, wir haben uns dann ja auch privat getroffen und Parties gemeinsam gefeiert. Der eine von diesen Gangstern, Dave Courtney, der ist heute Besitzer eines Pubs, da haben wir uns getroffen. Das war richtig nett.

Aber obwohl das Album konzeptionell wie musikalisch etwas Außergewöhnliches war, hat es sich kaum verkauft. Es war, gelinde gesagt, ein Flop.
Leiden Es gab eine Koalition derjenigen Leute, die meinten dass man mit einem solchen Dreck - damit meinten sie die Gangster - nicht auch noch Geld verdienen dürfe. Es gab sogar einen moralischen Aufruf im Fernsehen die Platte nicht zu kaufen. Manchmal rührt ein solches negatives Echo auf ein Projekt erst richtig die Werbetrommel. Bei mir nicht. Ich wollte die Erlöse aus der Platte meiner ehemaligen Schule in Bristol zukommen lassen aber die wollten das Geld nicht annehmen weil es in ihren Augen dreckiges Geld wan

Die waren wahrscheinlich froh darüber, diese Leute bereits vergessen zu haben, und dann kamen Sie und haben den Staub wieder aufgewirbelt.
Sogar die Polizei hat mich verfolgt, weil die hofften, ich würde die zu Gangstern führen, die sie noch nicht geschnappt hatten. Ich hatte ja eine Zeit lang noch gedacht, man müsste auch ein Album machen, auf dem die Polizisten zuWort kommen, die diese Gangster verfolgt haben. Aber dann dachte ich mir: Die stehen auf der falschen Seite. Die Polizei ist nämlich die echte Mafia. Die werden nicht eingelocht, wenn sie gemordet haben. Die werden gefeuert oder versetzt oder gründen eine Security-Firma. Und die schlimmsten Verbrecher sitzen im Pentagon.

Es heißt ja, dass Menschen, die als organisierte Kriminelle andere Menschen umgebracht haben, oft ganz normal erscheinen, wenn man ihnen im täglichen Leben begegnet.
Ich kenne das auch. Diese Leute werden erst gefährlich, wenn man ihre Interessen durchkreuzt. Ansonsten sind die meistens immer sehr nett.

Woher kommt Ihre Faszination für die Kriminalität?
Faszination? Das waren meine Idole! Vier meiner Onkel - zwei Mal zwei Brüder -waren Gangster und Boxen Einer von ihnen hat dreißig Jahre seines Lebens - er ist jetzt sechzig - im Gefängnis verbracht. Ich bin großgeworden mit den Geschichten, die sie über meine Onkel erzählt haben. Als ich fünfzehn Jahre alt war, kannte ich Leute, die vor meiner Familie Angst hatten. Das ist für einen fünfzehnjährigen Jungen nur ein anderes Wort für das Paradies.

Weil man Angst auf der Straße mit Respekt gleichsetzt?
Ja. Respekt vor meinen Onkeln und somit vor meiner Familie. Ich erinnere mich daran, wie ich und mein Cousin einmal vor diesem Laden namens Arc Levine Ärger gemacht hatten. Das war ein stadtbekannter Hell's-Angels-Treffpunkt. Mein Cousin hat ein paar von den Harleys umgekippt. Er war achtzehn, ich war zwölf. Auf alle Fälle wurde die Situation schnell richtig brenzlig. Als die ihn fertigmachen wollten, da sagte er denen:
,,Mein Onkel ist Martin Goffrey!" Nicht einer von den Bikern hat ihn angerührt. Was ich damit sagen will, ist folgendes: In meiner Wahrnehmung waren Leute wie mein Onkel keine Verbrecher, sondern Helden, vor denen man Respekt hat. Denn auch das muss man sich immer wieder vorAugen führen: Wenn dein Onkel dreißig Jahre im Gefängnis verbringt, dann ist und bleibt er doch dein Onkel. Mein Onkel war der erste Mensch in meinem Leben, der mir einen Fünfzig-Pfund-Schein in die Hand gedrückt hat. Er mag Leute umgebracht haben, aber für dich bleibt er dein Onkel, dein Held. Ich bin aufgewachsen mit diesen Leuten. Ich erinnere mich daran, als Freddie Foreman auf den Titelseiten der Tageszeitungen war: »FREDDIE FOREMAN AUS SPANIEN AUSGELIEFERT - DER MEISTGESUCHTE GANGSTER GEFASST«. Das sind Schlagzeilen, die mich geprägt haben, denn Freddie kannte meine Großmutter. Als ich klein war, hat mein Onkel Martin ein paar Jahre gemeinsam mit Tony Lambrianou im Knast gesessen. Und sowohl Freddie als auch Tony sind auf »Product Of The Environment« verewigt - Track fünf und sechs; Freunde meiner Familie. Ich würde also nicht sagen, dass ich von den Gangstern fasziniert bin, sondern sie sind ein Teil meines Lebens. Ich habe zum Beispiel auch keine Musiker als Freunde. Die einzigen Künstlerfreunde, die ich habe, sind Leute von der Straße, die ich zu Künstlern gemacht habe. Wenn ich in London bin, dann hänge ich mit den jünge-renVersionen der Leute ab, die auf »Product Of The Environment« ihre Lebensläufe erzählen. Denn mit denen bin ich zur Schule gegangen. Das sind Kids aus meinemViertel, die jetzt in London den Leuten ein wenig Angst einjagen. Ich habe mit denen mehr gemeinsam als mit, sagen wir, Lenny Kravitz, dem Armleuchter, denn worüber bitte sollte ich mich mit Lenny Kravitz unterhalten?
Mit meinen Schulfreunden kann ich immerhin über unsere gemeinsamen Erinnerungen reden. Und selbst wenn wir nicht zusammen zur Schule gegangen sind - solange die Kids aus den Ghettos kommen, finden wir immer ein Thema. Diese Leute sind das Fundament meines Lebens.


 
 
 
 Weil sie ungebunden sind? Wir reden immerhin über Kriminelle.
Ich rede von großen Männern und davon, zu wem man als Jugendlicher aufschaut. Schaut man zu John F. Kennedy aufl wenn man im jamaikanischen Ghetto aufwächst? Zu Malcolm X? Wir haben aufgeschaut zu denen, die sich Respekt verschafft haben in unserem Viertel. Den großen Männern vor unserer Haustün Die Leute, die ich auf mei-nem Album versammelt habe, das sind Leute, die in ihren jeweiligen Straßen Res-pekt genießen. Das sind die Leute, die die dicken Autos gefahren haben. Sie sind die Superstars. In meinem Viertel, als ich jung war, da haben wir nicht Shakespeare gelesen.

Spielte es eine Rolle, dass diese Leute, von denen Sie reden, letztlich im Viertel geblieben sind? Anders als Sie, der Sie weggezogen sind?
Große Männer sind für mich die, die es schaffen, das Ghetto zu überwinden, aber es gleichzeitig nicht verleugnen. Self Made Men.

Über New York haben Sie ja auch mehrfach gesagt, dass es Sie aus Manhattan in die Bronx gezogen hätte.
Mein Vater ist Jamaikaner. In NewYork bin ich in Clubs in der Bronx gegangen, alleine, monatelang. Irgendwann kriege ich heraus: Der Bruder meines Vaters wohnt ebenfalls dort. So treffe ich meinen Onkel zum ersten Mal in meinem Leben in der Bronx.

Und in Los Angeles?
Mexikaner. Ich komme nach L.A., und die erste Person, der ich begegne, ist ein Mexikaner. Bald hing ich nur noch mit Mexikanern und Jamaikanern ab. Die Kulturen sind sehr unterschiedlich, aber das ist nicht schlecht. Das ist sogar gut. Einmal ging ich abends in einen Fischladen um Fisch zu kaufen. Zusammen mit zwei Freunden. Die sagten mir: "Da kannst du aber nicht hin, das ist zu gefährlich." Also habe ich mir meine Waffe genommen, eine Uzi mit so einem langen Magazin. (macht eine Handbewegung, die anzeigt: ca. 30 cm). Und das alles nur, weil die Gegend unsicher ist, weil dort schon Leute erschossen worden sind.

Wo, in dem Fischladen?
Vor dem Fischladen. Mein einer Freund hatte die Waffe unter dem Hemd, und ich hatte das Magazin in meiner Hose. So sind wir Fisch kaufen gegangen. Und dann gibt es Gegenden in Los Angeles, da würde ich noch nicht einmal auf die Idee kommen, einen Zahnstocher mitzunehmen. Sicherheit ist in Los Angeles sehr ungerecht verteilt. Ich lebe in Venice in einer super entspannten, sicheren Straße. Aber nur ein paar Blocks weiter ist so ein Crack-Nest, wo man schön blöde wäre, wenn man sich da reinwagen täte.

Wieso gehen die Gangs nicht einfach über die Straße und rauben reiche Leute wie Sie aus?
Tagsüber ist das alles sowieso ungefährlich. Da führen alte Damen ihre Hündchen aus, und die Leute gehen einkaufen. Nur ab Sonnenuntergang wird es unangenehm. Da ist jeder vorsichtig. Da geht man nicht mehr auf die Straße, auch ich nicht. Und wer nicht auf die Straße geht, der kann auch nicht aus-geraubt werden. Es gibt einen Spruch in Amerika, der geht wie folgt: Die Rapper in New York wollen Gangster sein, die Gangster in L.A. wollen Rapper werden. L.A. ist der Wilde Westen. Ein schöner Ort, aber du musst aufpassen.

Und wenn Sie diese ganzen Gangster und Kleingangster so toll finden, warum sind Sie dann nicht selbst Gangster geworden?
Um ehrlich zu sein, ganz ehrlich: Ich bin nicht hart genug. Ich bin nicht annähernd so hart wie meine Onkel. Ich hätte nicht die Kraft, fünfzehn Jahre Gefängnis unbeschadet zu überleben - auch wenn man sicherlich gerade auch im Gefängnis viel lernen kann. Hör mal: Von meinem achten Lebensjahr an habe ich Gewalt gesehen in meinem Viertel. Richtig ernste Gewalt. Das ist für mich kein Spiel. Ich habe dann später Gras verkauft. Ich habe Leute ausgeraubt und Autos geklaut. Ich bin im Gefängnis gewesen. Alles hat damals danach ausgesehen, als ob auch ich so eine Art Kriminellenkarriere einschlagen würde. Aber die Musik war schneller.

Sie meinen: Der Erfolg mit der Musik war schneller.
Es ging alles unglaublich schnell. Ich empfand es folgendermaßen: Ich nahm mir ein Mikrofon, begann da reinzuquasseln, und am nächsten Tag saß ich bereits in der Business Class nach New York. Natürlich ging es nicht wirklich so schnell, aber mir kam es so vor. Das Absurde war: Als ich damals also mit
Massive Attack zusammenzuarbeiten begonnen hatte, da stand ich zur gleichen Zeit vor Gericht. Es ging darum, ob ich drei Jahre ins Gefängnis gehen muss oder auf freiem Fuß bleibe, das war nicht witzig. Als Massive ihr Video gedreht haben, da bin ich zum Gericht nach Oxford gefahren. Ich bin ein anderer Mensch als die. Die sind nicht mit mir zum Gericht gefahren - und ich bin nicht in den gleichen Vierteln aufgewachsen wie die.

Wie sind Sie sich dann überhaupt begegnet?
Ich habe mir mal ein Mikrofon gegriffen und da reingesprochen, nicht wesentlich anders, als ich Ihnen jetzt hier reinrede. Das hat sich auf den Straßen rumgesprochen. Ziemlich bald wurde ich von derWild Bunch dann eingeladen, auf einer von deren Parties zu rappen. Das fand ich cool. Mir nichts, dir nichts, schlendere ich durch die Straßen, denke an nichts Schlechtes und sehe ein fotokopiertes Plakat an der Wand. Darauf stand: The Wild Bunch mitTricky Kid und 3D und, und, und. Da blieb ich stehen und musste mir das erst einmal angucken, erst einmal begreifen, was da nun eigentlich passiert war.

Was war passiert?
Die hatten mich aufgenommen in ihren exklusiven Club. Die haben mich von der Straße geholt, wenn Sie so wollen. Die haben verhindert, dass aus mir ein Verbrecher wurde. In diesem Sinne schulde ich denen bis heute was. Ich habe, ehrlich gesagt, noch nie so recht über diesen Punkt nachgedacht, aber ich muss sagen: Ja, ich schulde denen etwas.

Was ist so spezifisch neu an dieser Erkenntnis?
Nun, die sind mir gegenüber ziemlich negativ eingestellt. Von meiner Seite kommt das überhaupt nicht, denn ich habe nichts gegen die. Überhaupt nichts. Vor allem in Momenten wie jetzt, wo ich mich mal daran erinnere, wie das alles angefangen hat, und wo ich damals gestanden hatte - und wo ich heute stehe.

,,They used to call me Tricky Kid 1 Now they call me superstar" - das ist eine Zeile aus Ihrem Track »Tricky Kid« von dem Album »Pre-Millenium Tension«.
Die Musik hat meine Karriere als Gangster verdrängt. Ich hatte gar keine Zeit mehr Gras zu verkaufen.


 
 
 
Leute wie Eminem drehen über weitaus entspanntere Lebensgeschichten einen Film.
Sie lassen einen Film drehen. Wenn ich über meine Geschichte einen Film drehen wollte, dann... - man hat mir ja Geld geboten. Aber es waren nicht die richtigen Leute. Ich meine, das sind astronomische Summen, die in solche Projekte gesteckt werden. Da schlackern einem die Ohren. Aber dann wird so etwas zwei Jahre verhandelt, und es dauert weitere zwei Jahre, bis so ein Film in die Kinos kommt... - und dann ist es nur noch ein Scheißfilm, für den man sich bis an sein Lebensende schämen muss. Ich mag schnelles Arbeiten. Ich könnte mir das sogar vorstellen, so einen Film zu machen, dann aber mit irgendwelchen richtig guten Independent-Filmern. Denn in meiner Familie gibt es interessante Herkünfte: Weiße, Jamaikaner, Spanier, Halbafrikanen Die haben auf alle Fälle keine Vorurteile gehabt in meiner Familie. Und hinter jeder Herkunft steckt eine Geschichte.

Ihre eigene Familiengeschichte ist tragisch. Sie haben seinerzeit Ihr erstes Album Ihrer Mutter Maxine Quaye gewidmet, die gestorben ist, als Sie noch ein Kind waren.
Meine Großmutter hat meine Mutter überlebt. Seine eigenen Kinder zu überleben, das ist ein fürchterliches Erbe. Als ich klein war, als ich vier oder fünf Jahre alt war, da hat sie mich immer auf den Boden gesetzt und mir Bilhe Holiday vorgespielt. Sie hat dabei immer Zigaretten geraucht. Sie sagte dann zu mir: ,,Oh Gott, du erinnerst mich so an deine Mutter." Für sie war ich der Geist meiner Mutter. Ich auf der Mitte des Teppichs, mit meinen Sachen spielend, und sie in dem Sessel, mich beobachtend. Kein Wort wurde gesprochen. Als Kind empfand ich diese Situation mit meiner Großmutter fremd und seltsam. Aber heute verstehe ich, dass sie ihre Tochter vermisste.

Warum haben die Jungs von Massive Attack heute etwas gegen Sie?
Vor ein paar Jahren haben die in Frankreich schlecht über mich geredet, als sie der Presse Interviews gegeben haben. Sie haben Witze über mich gerissen. Ich aber habe ihnen nie etwas getan. Ich war immer loyal. Ich erinnere mich: Einmal, mitten in der Nacht, bekam ich einen Anruf von 3D, weil ihm jemand auf die Fresse gegeben hatte. Keine Viertelstunde später war ich bei ihm. Nicht alleine, sondern mit meinem Baseballschläger - um die Leute zu suchen, die ihn so zugerichtet hatten. Warum? Weil er zu meinen Jungs gehörte. Also, ich fühle keine Schuld in mir, ich war immer loyal.

Warum hat 3D - alias Robert Del Naja - etwas gegen Sie?
Ich weiß, was mit denen los ist, was der Grund ist. Ich hatte Massive Attack verlassen. Warum? Weil ich meine eigene Platte machen wollte, mein eigenes Ding durchziehen. Die aber haben es als Undankbarkeit empfunden. In deren Augen hatte ich Massive Attack auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs verlassen. Sie haben das als Beleidigung empfunden. Ich bin weggegangen, obwohl mir Welterfolg garantiert worden war. Und was wählte ich im Tausch? Eine ungewisse Zukunft. Das hat die richtig beleidigt. Denn keiner von denen hätte den Mut gehabt, selbst einen solchen Schritt zu gehen. Vor allem 3D nicht. 3D ist neidisch auf mich, seit wir uns kennen.

Fällt Ihnen ein Beispiel ein, das 3Ds Neid illustrieren würde?
Ich bin damals ja nach London gezogen und hatte mich lange Zeit nicht in Bristol blicken lassen. Ak ich dann doch einmal wiederkam, bin ich in eine Bar gegangen, in die 3D auch immer ging. Wir hatten uns monatelang nicht gesehen, kamen ins Gespräch, tranken was... - und innerhalb von fünfzehn Minuten klingelte in der Bar das Telefon. Ein Anruf für mich. Innerhalb von fünfzehn Minuten hatte es sich herum-gesprochen, dass ich zurück in Bristol war. ,,Jack", sagte 3D...

...Jack?!
Wir nannten uns gegenseitig immer Jack. Er sagte also: ,, Jack, ich verstehe das nicht: Du kommst aus dem Dunkel der Nacht, betrittst diese Bar, und binnen zehn Minuten hat es sich in der Stadt rumgesprochen, dass du da bist. Was hast du für eine Aura?" Ich kannte damals keine Fremdwörter wie ,,Aura". Ich wusste gar nicht, wovon der redete. In London lebte ich in einem besetzten Haus, und dieser Typ faselte was von ,,Aura". Aber heute ist mir klar, was er meinte: Er wäre auch gerne sechs Monate lang weggewesen - und bei seiner unerwarteten Rückkehr klingelt nach zehn Minuten das Telefon.

Wer war am Telefon?
Ein Mädchen. (harr, harr) Und 3D war eifersüchtig und neidisch. Interessant ist, dass er, sobald es um die Musik ging oder um Texte, dass er da gar nicht so war. Da hat er mein Anderssein stets als willkommene Ergänzung gesehen. Aber er war neidisch auf mich, wenn in einer Bar so etwas wie ein Kampf passierte. Einer meiner Freunde ist heute sein Bodyguard. Er heißt Jason, und ich kenne ihn seit seinem vierzehnten Lebensjahr. Er kommt also immer mit, wenn 3D ausgeht, und er bekommt alles bezahlt. Jason hat einen Ruf draußen auf der Straße, denn er hat mal jemanden KO geschlagen. Wenn 3D mit ihm in einen Club geht, weiß er also, dass er sicher ist. Jason und ich, wir haben uns damals auf der Straße kennengelernt, wo er vier Typen regelrecht vermöbelte. Er tat das in so einer Art selbstangeeignetem Kickbox-Stil. Und ich fragte ihn, wo er das gelernt hätte. Er sagte: von Martial-Arts-Filmen im Fernsehen. Und ich zu ihm: ,,Komm morgen zu mir." Ich habe ihn dann in dieses Martial-Arts-Trainingscamp gesteckt, und ein Jahr später kämpfte er schon in L.A. um Preisgeld. Er hatte darauf aber nicht so richtig Bock. Er wollte wieder zurück nach Bristol.

Ist Bristol nicht in Wirklichkeit eine hübsche und friedliche Stadt? So, wie Sie es erzählen, klingt es, als ob man in Bristol tatsächlich einen Bodyguard benötigen würde?
3D eher nicht. Denn die Orte, an die er geht, da braucht man keine Bodyguards. Außerdem ist 3D sehr entspannt und eher feige als mutig. Wenn etwas eskaliert, dann verdrückt er sich. Das meine ich gar nicht
abwertend, denn auf dieseWeise hält er sich auch aus Ärger raus und kriegt nicht so oft auf die Fresse. Er gehört zu denjenigen, die länger leben werden. Aber ich erinnere mich an einen Abend, als wir zusammen in einen Club gegangen sind. So ein Wahnsinniger kam auf ihn zu, nahm seinen Hut, warf ihn auf den Boden und trat drauf. Wenn der das mit mir gemacht hätte, hätte ich den besinnunglos geschlagen. Und wenn der stärker als ich gewesen wäre, dann hätte ich ihm mein Blut ins Gesicht gespuckt. Denn es gibt Situationen, in denen man nur so seine Würde behalten kann.

Sie lassen solche Situationen gerne eskalieren?
3D ist einfach ein anderer Typ. Er wird von vielen gemocht, er ist sympathisch, dem will man gar nicht in die Fresse hauen. Mein kleiner Bruder hat mal bei 3D eingebrochen, der war zehn Jahre alt. 3D hatte was gemerkt und sich daraufhin eingeschlossen. Ich schwöre es bei meiner Mutter. (harr, harr, harr) Frag' 3D, und er wird sich ungern erinnern. Es gab einen Typen in Bristol, der hieß Derek. Der terrorisierte seine Umwelt. Der war ein Riese und schwarz. Der hatte eine harte Kindheit. Derek terrorisierte auch 3D. Einmal saß ich im Pub und bekomme von 3D einen Anruf. ,,Du musst kommen, du musst kommen!" Derek stand vor seiner Haustür, mit verschränkten Armen und ließ ihn nicht aus seinem Haus raus. Ich fuhr also zu 3Ds Haus, sah Derek und brüllte ihn an:
,,Derek! Get in the fuckin' car!" Und Derek, wie ein kleiner Junge, setzte sich ins Auto und legte eine Cassette mit Musik ein. Warum hörte er auf mich? Weil ich den echten Derek kannte - denn eigentlich war Derek ein richtig netter 


 
 
 
Kerl. Ein bisschen naiv, wie ein Kleinkind. Aber das haben die Leute nicht in ihm gesehen: Die haben in ihm nur den schwarzen Zwei-Meter-Riesen gesehen. Leider musste Derek dann irgendwann in eine psychiatrische Anstalt. Seine Familie und ich waren die einzigen, die ihn dort noch besuchten.

Was haben Sie von Derek gelernt?
Ich habe von ihm gelernt, dass Musik die stärkste Kraft der Welt sein kann, denn wir haben viel Musik miteinander gehört.

Sie sind bekannt dafür, auf fast komplett abgedunkelten Bühnen Konzerte zu geben. Es gibt Fans, die das irritiert.
Ich bin doch kein Muppet. Ich gehe nicht auf die Bühne, um für mein Publikum zu singen und zu tanzen. So sieht's aus. Das sage ich auch meiner Band: Ich will nicht, dass die sich irgendwelche Bühnenklamotten anziehen. Perry trägt immer sein Football-Trikot, das ist völlig OK mit mir. Warum machen wir das so? Weil wir unserem Publikum keine Show vorspielen. Die Musik ist wichtiger als die Show. Ich mache nicht das Licht an, wenn die Single kommt. Und ich liebe es, auf der Bühne zu stehen. Das ist wie ein anderes Universum. Du hast kein Verlangen nach Sex. Du bist nicht hungrig oder durstig. Dir ist nicht kalt, du brauchst gar nichts. Wenn es einen Himmel auf Erden gibt, wo du nichts mehr brauchst, nicht mehr deine Mutter und auch nicht mehr deinen Vater, dann ist das die Bühne. Das ist wie Buddha. So. Und diesen traumhaften Zustand zerstöre ich nicht, indem ich da eine Tanzeinlage mache - oder das Licht an. Licht kann alles kaputtmachen. Das liegt alles sicherlich auch daran, dass ich ja gar kein richtiger Musiker bin. Ich sehe ein Konzert eher wie eine Voodoo-Zeremonie. Ich muss in die richtige Stimmung kommen, und nichts darf diese Stimmung kaputtma-chen. Wenn die Leute das dann als arrogant ansehen, dann tut mir das leid, geht mir aber ehrlich gesagt total am Arsch vorbei.

Was kaufen Sie sich eigentlich für Musik? 
Nur alte Platten. Keine neue Musik. Und da ich immer auf Reisen bin, kaufe ich mir die alten Platten ständig neu. Ich habe drei Exemplare von diesem genialen Specials-Album. Ich habe drei Exemplare von Rakim, vier Mal Kate Bush, zwei Mal dieses The-Cure-Album. Ich kaufe immer wieder die
gleichen alten Platten, weil ich ohne sie ein-fach nicht auskomme.

Und was ist mit den Schallplattenfirmen? Sie haben auf Ihrer Platte »Angels With Dirty Faces« - benannt nach dem Noir-Gangsterfilm mit James Cagney - ein Stück, das heißt »Record Companies«, eine wüten-de Beschimpfung der Musikindustrie...
Oh ja. Das war, als sie Biggie Small umge-bracht haben, und das Press Release der Plattenfirma nannte ihn nur »The Notorious BIG«. Für seine Plattenfirma war er selbst im Moment seines Todes nur ein Produkt -sie nannten nicht einmal seinen richtigen Namen. Als ich das im Fernsehen sah, da durchfuhr es mich: Ich dachte mir, dass die A&Rs der Plattenfirmen sich viel mehr um die talentierten Ghetto-Kids kümmern müssen. Ich habe ein paar solcher Hardcore-Kids aus New York auf meinem eigenen Label. Ich sage denen immer wieder: Ich halte euch den Rücken frei, aber ihr müsst euch im

Gegenzug von allem Ärger fernhalten. Bevor ich nach Europa geflogen bin, habe ich denen gesagt, dass sie auf gar keinen Fall ihre Gang-Scheiße wieder anfangen sollen, wenn ich weg bin. Ich will nicht zurückkommen und sie im Gefängnis besuchen müssen. Ich sage denen: Dein Leben hat jetzt nichts mehr mit deinem Ghetto zu tun, wo du herkommst. Du wirst zwar immer ein Straßenjunge bleiben, aber du musst jetzt lernen, wie ein Musiker zu denken. Schaliplattenfirmen vergessen immer, dass sie sich auch um ihre Künstler kümmern müssen. Ich sage meinen Künstlern: Wenn du meine Bedingungen nicht annimmst, wenn du jemanden urubringst oder bei irgendwas geschnappt wirst, dann bedeutet das das Ende unseres Deals. Man muss es denen einfach klar machen, dass sie das sein lassen müssen mit dem Straßenkrieg.

Warum haben Sie Ihr neues Album eigentlich »Vulnerable«, also ,,verwundbar" genannt? Weil Sie eigentlich ganz sensibel sind?
Ganz genau. Ich bin gar nicht eisenhart. Ich bin, zugegeben, mit superharten Jungs aufgewachsen. Und sicherlich hat das insofern auf mich abgefärbt, als dass ich vor Gangstern keine Angst habe. Und außerdem kann ich schauspielern. Ich kann andere Leute glauben machen ich wäre ein gefährlicher Mann. Ich kann mich auch gut in andere Menschen hineinversetzen. Jch habe Leute kennengelernt, die andere Menschen umgebracht haben. Ich bin mir sicher, das könnte ich auch. Theoretisch. Es geht doch immer darum, sich Situationen zu vergegenwärtigen: keine Frauen und keine Kinder. Und konsequent muss man sein. Man muss töten können. Wenn man das nicht kann, dann kann man nicht gut schlafen in der Nacht, und das ganze artet in Stress aus. Das Problem, das viele echte Gangster haben ist folgendes: Sie können nicht töten. Aber ich weiß, dass ich es könnte, und deswegen kann ich mich auch so gut in Leute hineinversetzen, die getötet haben. Ich bin Leuten begegnet, die mich nicht kannten, die nicht wussten, dass ich Tricky der Musiker bin. Die haben mir in die Augen geguckt und gesagt: ,,Du siehst aus wie ein Mörder."

Sie würden also sagen, dass Aura eben doch wichtig ist?
Es ist auf alle Fälle nicht die tatsächlich ausgeübte Gewalt, die über Respekt oder nicht Respekt entscheidet. Es gibt Leute, die einen einzuschüchtern versuchen, indem sie dir sagen: ,,Ich schneide dir deine Zehen ab. Ich schneide dir deine Ohren ab." Aber sie würden es sich niemals trauen.

Vermutlich wäre man in einem solchen Moment alleine deswegen schon eingeschüchtert, weil einem jemand so etwas ungeheuerliches ins Gesicht sagt.
Ein Kumpel von mir wurde einmal bedroht. Am Telefon. Wissen Sie: Erst einen bedrohen, dann gleich auflegen. Mein Freund hatte Feinde, keine Frage. Und er bekam weiche Kniee. Und ich musste ihm zureden. Ich sagte also zu ihm: ,,Überleg' doch mal! Jemand, der dich mitten in der Nacht anruft, dich bedroht und dann gleich auflegt, der hat keine Eier. Das ist ein Feigling." Wer wirklich gefährlich ist, legt nicht gleich auf. Der ruft auch nicht an. Die Leute, vor denen man sich wirklich in Acht nehmen muss, das sind die, die man beleidigt - und von denen man dann zwei Jahre lang nichts mehr hört. Das sind die gefährlichsten
 


 

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  photos: Oliver Schultz-Berndt

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