TRICKY
London, The Forum


    

TRICKY MACHT MUSIK DER ATMOSPHÄRE
halber. Und weil er die Welt offensichtlich als
einen ebenso verkniffenen wie feindseligen
Ort empfindet,fallen seine oft arhythmischen
und disharmonischen Klangsphären eben
entsprechend klaustrophobisch und düster
aus. Das kann man nun toll finden oder auch
ganz furchtbar — jedenfalls aber darf Tricky auf
die volle Unterstützung aller Fans waghalsigen
mutiger Musik zählen.
Der Übergang von DJ-Musik zu Band funktio-
niert heute abend praktisch bruchlos. Plötzlich
wird man sich bewußt, daß die Musik mit
richtigen Instrumenten gemacht wird -
Drums, Bass, Keyboard und Gitarre. Und dann
wird man des dürren Teufelchens gewahr, das
sich vorn links auf der Bühne um seinen
eigenen Oberkörper windet, als müsse es ein
Uhrwerk im Bauch aufziehen. Wie ein Berser-
ker zuckt und windet sich Tricky ums Mikro-
phon und stößt da bei pausenlos hypnotische
Phrasen hervor, aus denen hin und wieder wie
ein Dorn ein verständliches Wort herausragt.
Die zur Schau getragene Psychose wirkt
zunächst recht unterhaltsam und irgendwie

relevant. Nach maximal einer halben Stunde
aber ist die Erwartungshaltung verpufft, in
den hinteren Rängen lenkt man sich mit
gemütlichem Plaudern ab. Das Problem liegt
in der frustrierenden Lautschwäche der Musik:
Die Band schwitzt, prügelt und groovt redlich,
doch was beim Publikum ankommt, ist nur ein
laues Lüftchen. Daß Martina und Cath Coffey
mit dem Habitus von Schlafwandlern über die
Bühne schlurfen und auch entsprechend
singen, macht die Sache nicht besser. Unter
diesen Umständen wirken selbst Klassiker wie
„Black Steel” und „Ponderosa” zahnlos. Das
großzügige Programm gerinnt alsbald zur
eintönigen Tortur. Viel zu spät, erst bei „Christi-
ansands”, dem letzten Song des regulären
Sets, wird es doch noch wohlig bedrohlich. Bei
der Zugabe „Tricky Kid" schließlich stürmen
zwei Rapper von Trickys London-Posse auf die
Bühne und versprühen endlich die Funken, auf
die die Besucher so lange gewartet haben. Sie
sprühen noch zwanzig Minuten weiter -
gerade lange und böse genug, daß man wohl
auch das nächste Tricky-Konzert wieder mit
gewisser Spannung erwarten wird. (hpk)

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photo: ? 

from: Musikexpress Sounds, September 1998

  
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