Der Einzige und sein Eigentum
Kämpft einer mit allen Drecksounds ums Recht und pöbelt wie sonst nur die Gebr. Oasis, dann muß es wohl der Tricky sein. Und so einer soll jetzt ein Popalbum abgeliefert haben, daß einem die Pantoffeln sich aujkrempeln? Jörg Sundermeier behauptet das jedenfalls.

Man kennt ihn nur noch als Misantrophen. Als Zerstörer, als Schwarzseher, als Verweigerer. Tricky hat sich in den Jahren, die auf seinen sensationellen Erfolg mit "Maxinquaye" gefolgt sind, durch nur schwer zugängliche Alben kaum den Hoffnungen seiner Käuferinnen und Käufer gestellt. Das letzte Album, "Angels With Dirty Faces" war mehr eine launische Schmutzgeschichte als große Musik. Aber er blieb präsent.
  Zugleich entwickelte er sich zum miesen Typen. Frag ihn nach Bristol! Sag ihm TripHop! Dann kannste Dir eine fangen. Sprich ihn nicht auf den FACE-Journalisten an, dem er das Gesicht gekickt hat! Willst Du ein Telefoninterriew?

Nein, der Herr hat gerade keine Lust. Und hör erst gar nicht hin, wenn er von der Bühne herunterpöbelt, als sei die Erwartungshaltung des Publikums an sich schon ein Verbrechen! Dieser Mann hat, ist, macht Kunst-Kunst-Kunst und Du bist hier nur der Wurm. Erstmal jedenfalls. Dann aber gibt es seit einiger Zeit wieder einen anderen Tricky, einen, der ruhiger geworden ist und nicht mehr von Ansprüchen angefressen wie sonst nur der Turm von Pisa. Einen, der keine starken Sprüche mehr vor sich hertragen muß, als seien sie eine Ideologie. Der Trickster von Heute legt auch schon mal öffentlich eine Spice Girls - Platte auf und läßt den Herrgott einen flotten Mann sein. Eine eigene Plattenfirma hat er gegründet. Klar ist er geworden, die Scheiße ist noch immer die Scheiße, ok, aber das muß er nicht mehr jeder und jedem sagen, denn er ist ja gar nicht der Messias. Und mit "Juxtapose" hat er ein Popalbum abgeliefert. Man merkt, der hier hat so ziemlich alles zertrümmert, der muß nichts mehr müssen. Und von dieser Position aus kann er machen, wie er's kann. DJ Muggs und Grease haben ihn bei der Produktion unter- stützt. Mit Kioka Williams hat er sich eine Sängerin gesucht, deren Stimme mit all ihrer Gebrochenheit und schönen Entschlossenheit fast identisch mit der seiner Ex-Sängerin Martine ist. Mit Mad Dog schließlich hat er einen Rapper dazugeholt, dessen Flow "insane" ist, wie Tricky sich zurecht begeistert, dessen Style habe ihn ein fachum geworfen. Bumm. Guter Mann. Und, ein bißchen Messias ist Tricky doch immer, Mad Dog ist ein Rapper, mit dem er zeigen will (und kann), daß das britische Inselreich den Vereinigten Staaten raptechnisch in nichts nachsteht.
Jau, und die Lyriks lassen leider sehr zu wünschen übrig. "Met two girls in a restaurant, didn't know the hookers was lesbians.../ Show was perfect, the one with the tits/ You know the girls fit/ Slim girl was holding her hips/ Stroking her tongue all over her clit." Issa doch 

 
böser Bube, dieser Tricky? Will der Mann partout ein heimlicher Eminem sein? Genügt ihm die hohe Größe seiner Musik nicht? Andererseits klappert in den Texten überall dies absolut Existentielle herum, so ein, "I wait for you, I hate for you..." Das schrappt nahe am Kalauer vorbei und gehört doch eigentlich in die Seminarräume der Lebensfürchter verbannt. Man sieht geradezu Beth Gibbons, sich im Ringen um Liebe winden bei solchen Schmachtkloppern. Und dann andererseits wieder...
Die Musik fängt die ganze Scheiße souverän ein. Bereits der Opener, "For Real" mit seinen entspannten Klängen und dieser samtweichen 
Barry White-Stimme des Tricky, da fließt es mit einem weg. Bei ,,Bom Bom Diggy" gibt es kurz ein Gitarrensolo, jawohl Schweinerockgitarre, und, Tatsache, dieser Tricky darf das. Dann "Hot like A Sauna", ein Stück, das so gut ist, daß sich gleich zwei Versionen auf dem Album finden lassen. Mad Dog und Kioka Williams geben ihr Bestes, das Stück schwebt sanft aber zwingend zwischen dem Irrsinn des Rappers und der unlauten Bestimmtheit der Sängerin hin und her. Dann das Gitarren- motiv in "Contradictive"! Überhaupt "Contradictive", ein Stück so weitläufig üppigen Pops, so geil produziert, daß es den  Hörer entschieden in den Stuhl drückt. Schließlich "Wash Away", ein Stück, das meines Erachtens Trickys "Zauberberg" darstellt.
Und ohne Hiphop ist Platte nicht denkbar. Allerdings taugt sie nicht im geringsten, um irgendwo in ein Set mit eingemixt zu werden. Tricky selbst glaubt, er könne mit diesem Werk ein anderes Denken über Hiphop herbeiführen. Da hat er recht. Andererseits, hatten wir das nicht schon damals in... - nein, wirklich nicht, Triphop oder Bristol hat hier niemand gesagt. In das Universum gehört Juxtapose überhaupt nicht mehr hinein. Die Platte ist zu gut fürs Radio. Zu perfekt um nebenbei zu laufen. Ein Monolith.

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